Am Anfang war das Buchkonzept

Bevor ein Modedesigner seine Linie kreiert, fertigt er die Illustration. Er strichelt, radiert, verfeinert die Silhouetten, gibt seiner Idee eine Kontur. Und kein Maler würde ohne Skizze sein Werk beginnen. Denn seine Expression folgt einem Plan. Jeder Architekt entwirft ein Gebäude in digitaler Zeichnung, errechnet vom ersten Stein bis zum Stromkabel den Verlauf. Und ein Schriftsteller? Der plottet den Roman, baut die Szenen, lässt die Figuren probeweise lebendig werden.

Niemand von diesen Künstlern würde die Ärmel hochkrempeln und ein Stoßgebet zum Himmel senden mit der Bitte, das Vorhaben möge gelingen. Gut so. Denn das wäre unprofessionell, fahrlässig gar. Und wie sieht es mit dem Sachbuch aus? Braucht ein Autor lediglich eine kantige Idee, eine eindrucksvolle Schreibstimme, und schon kann er loslegen, sich durch die Zeit tippen von Seite 1 bis Seite 200? Meine Haltung und Antwort lautet: 

Das wird nach allen Regeln der Kunst nicht gelingen. 

Der rote Faden wird reißen, die Argumentationskette sich verknoten.

Die Worte landen ungefähr auf halber Strecke neben dem Thema.

Vermutlich gibt der Autor auf mit den Worten: „Keine Zeit, ich mache später weiter.“ 

Viele Skripte versanden mit diesem Satz, dabei hätten sie vielleicht das Potenzial gehabt, ein verdammt gutes Sachbuch zu werden.

Autorenkompetenz auf wenigen Seiten

Ich weiß: Wenn die Idee zum Sachbuch reift, dann drängt sie aufs Papier. Man will drauflosschreiben, den Marathon bis zum Schlusspunkt nicht mehr verzögern. Nutzen Sie diesen Impuls für Ihr Buchkonzept! Denn das wird – anders als im Genre Belletristik – im Verlag die Entscheidungsgrundlage für Ihren Vertrag sein. Der Lektor will Ihre These erkennen, die Schreibstimme, die Aufbereitung, die Substanz Ihres Sachbuches und auch Ihre Absendekompetenz will er schwarz auf weiß lesen. Anhand des Konzeptes errechnet er zudem die potenzielle Leserschaft, schätzt den Bucherfolg ein. Und wenn er hinter all diesen Kriterien einen Haken setzt, dann kann es sein, dass er ein Kapitel als Leseprobe wünscht. Damit wären Sie Ihrem Traum vom Buch ein Stück näher. Sie werden denken: Diese Arbeit am Konzept, die hat sich gelohnt. 

Wenn ich das in meinen Workshops erkläre, dann zögert ein Erstautor. Er hat sich anderes gewünscht, will den Umweg über ein Buchkonzept nicht gehen. „Ich habe mein Buch bereits in Gedanken entworfen“, wendet er ein. Mag sein, nur strahlen Gedanken kein Licht über 200 Seiten voraus. Diese Strecke ist zu weit. Irgendwann würde er im Dunkeln stehen, hätte die Orientierung auf der Schreibstrecke verloren.  

Was ein Verlag erwartet

Das Buchgeschäft boomt. 90.000 Neuerscheinungen jährlich und rund neun Milliarden Euro Umsatz in Deutschland. Diese Zahlen lassen hoffen, der große Coup könne auf dem Markt der Worte gelingen. Und tatsächlich ist zwischen Flop und Bestseller alles möglich. Das denken auch Experten auf der Suche nach dem Erfolgscode. Geknackt hat ihn bislang niemand, auch Algorithmen bieten keine belastbare Spur. Ich denke, es ist die Summe aus Passion und Disziplin und zusätzlich aus drei essenziellen Dingen: 

  • einem schlüssigen Konzept zum Sachbuch,
  • einem Logo eines großen Verlages auf dem Cover,
  • jenem Faktor Glück, dass Trend wird, was der Autor ersinnt.

Mit dem Buchkonzept beginnt also Ihr Erfolg als Autor. Was hält Sie ab, ihn zu betreiben? Zwölf Schritte bis zum Schreibstart sind zu setzen:

  1. Daten zum Buch: Legen Sie Genre, Seiten- und Zeichenzahl sowie thematische Kategorie des Buches fest.
  2. These: Ihr ganzes Buch in einem einzigen Satz. Dieser Satz ist kantig, ehrlich, mutig, frech, außergewöhnlich gut. Er wurde, außer von Ihnen, zuvor niemals formuliert!
  3. Intention: Warum schreiben Sie Ihr Buch, was wollen Sie unter allen Umständen erreichen? Schreiben Sie es sich von der Seele. Verführen Sie den Lektor zu einem Nicken: Ja, genau dieses Buch braucht der Markt, sollte sein Resümee nach dem Lesen sein. 
  4. Inhalt: Um was geht es in Ihrem Buch? Wie lösen Sie mit Ihrem Ansatz und Wissen die Probleme des Lesers, wie begleiten Sie ihn mit Ihrer Empathie? Wie verläuft der rote Faden und wie bauen Sie Spannung auf?
  5. Fokustext: Ihr Buch in wenigen Sätzen, Ihr Klappentext vorweggeschrieben. Auf einen Blick zeigen Sie, wie ein Text den Leser anzieht, reinzieht in Ihr Buch.
  6. Regalplatz: Welches Buch steht im Ladenregal rechts und links neben Ihrem Buch? Wie unterscheidet es sich von diesen bereits geschriebenen Werken? Arbeiten Sie heraus, was Ihr Buch besonders macht.
  7. Gliederung: Die Headline über dem Kapitel und der Nutzwert im Text. Wer ist Ihr Vorwortgeber? Wie zieht sich der Spannungsbogen von der Einleitung über die Kapitel bis zu Ihren persönlichen Schlussworten? Welchen Nutzwert bieten Sie den Lesern?
  8. Themenaufbereitung: Wie verpacken Sie Ihr Wissen? Fakten, Fakten, Fakten, gepaart mit Anleitung und Tipps, oder weite Erzählstrecken zur Lektüre?
  9. Schreibstimme: Mit welcher Tonalität begegnen Sie Ihrem Leser, Ihrer Leserin? Empathisch, verständnisvoll, provokant, frech, visionär, dozierend, anleitend, augenzwinkernd …?
  10. Leser: Wer ist das noch unbekannte Wesen? Wie können Sie seine Lebenswelt bereichern, weil Sie sein Thema, sein Problem, seine Sehnsucht kennen?
  11. Marketing: Was leisten Sie zur Buch-PR? Welche Marketing-Strategie planen Sie?
  12. Absendekompetenz: Was zeichnet Sie persönlich aus, Ihr Buch zu schreiben?

Für mich ist übrigens die These der Leitpunkt im Konzept. Denn die These trägt Ihr Buch, schimmert durch jedes Kapitel. Sie gibt Ihren Lesern das Gefühl, dass sich alles stimmig ineinanderfügt. Und bestenfalls spiegelt dieser Satz Ihr Temperament als Autor. Ich habe mir angewöhnt, während einer Schreibphase die These auf einem Flipchartbogen an die Wand zu pinnen, und zwar auf Augenhöhe. Denn die These ist wie ein Fixstern im Buchprojekt. Ich schreibe ihr entgegen – monatelang.

Ich wünsche Ihnen den Bucherfolg!