Schreibblockade:
Das Unwort für Autoren

Nicht an dieses Wort denken. Keinen Ton ins Ohr, in den Kopf, in die Zellen lassen. Am besten so tun, als würde das Wort nicht existieren, mögen Sie sich sagen – und sich irren. Denn das Wort ist allgegenwärtig, eine Gefahr für jeden Autor. Ähnlich wie ein Schnupfenbazillus kann es von einer Sekunde zur anderen in Ihr Gehirn vordringen, um sich dort zu entfalten: 

S-c-h-r-e-i-b-b-l-o-c-k-a-d-e. 

Damit prägt das Drama Ihre Stirn. Sorgenfalten. 

Damit dimmen Ihre Gedanken. Leere.

Der Atem wird flach, kein Muskel ist mehr geschmeidig. 

Hofften Sie bislang, Sie wären gegen eine Schreibblockade immun, so ahnen Sie nun: Dieses Mal hat es Sie getroffen, dieses Mal sind Sie infiziert. Doch trotzig hauen Sie in die Tasten, wollen nicht schwächeln – und Sie merken doch: Die Leichtigkeit des Schreibens ist Ihnen abhandengekommen. 

„Warum ich? Warum gerade jetzt?“, stöhnen Sie. 

Nun, die Gründe können mannigfaltig sein. Zu den Auslösern zählen Abgabedruck, Perfektionismus, fehlende Entspannung, Jammern in Hobbyschreibgruppen, Auftragsmangel, Zukunftsangst, Existenznot, das Entgleiten des Sinns für Ihre Aufgabe. All diese Faktoren nähren den Boden für den Bazillus und rauben Ihnen die Meisterhaftigkeit. Schreiben Sie an guten Tagen rund 10.000 Zeichen samt Feinschliff am Text, so dümpeln Sie nun zwischen 20 und 500 Zeichen dahin. Ein Dilemma, aus dem es vielleicht keinen Ausweg gibt? Auf keinen Fall sollten Sie tun, als wäre Ihre Welt in Ordnung. Wahrnehmung und Wahrheit dürfen nicht auseinanderklaffen! Die Heilung beginnt mit der Einsicht, aktuell energielos als Autor zu sein. 

Eine Schreibblockade befällt jeden Autor, jede Autorin, Sie und mich und all die anderen rund 200.000 in diesem Land. Ich habe mir angewöhnt, bei den ersten Anzeichen mit den Schultern zu zucken, zu lächeln und mir zu sagen: Okay, einen Tag Pause und dann mit fünf Schritten wieder hin zum Text. 

Schritt 1: Nehmen Sie an, was ist.

Kein Autorenleben verläuft linear und im Moment zeigt der Leistungspfeil nach unten. Klappen Sie das Notebook zu. Atmen Sie drei Takte ein und sechs Takte aus. Denken Sie an Ihre künstlerische Intelligenz, die Sie bislang durch die Buchseiten getragen hat. Die wird stärker sein als die Blockade. Versprochen. Sie sollten übrigens jetzt nicht meditieren und die Muse weinerlich bitten, zu Ihnen zurückzukommen. Erstens ist Weinen unsexy und zweitens würde es den mickrigen Rest der Glückshormone in Ihnen gänzlich ertränken. 

Schritt 2: Das Heft der vergessenen Worte 

Vom Kopf aufs Blatt – und schon vergessen. So lautet die Regel im Stressmanagement, um Grübelspiralen zu vermeiden. Die entstehen, wenn Sie ein Problem durchkauen, schlucken, wiederkäuen, statt es auszuspucken. Mit dem Abgeben des Wortes an ein Heft lösen Sie sich von all den anhängenden negativen Emotionen. In solch einem Heft der vergessenen Worte tummeln sich die Energiefresser, die Problemtreiber, all die Tücken des Schreibens. Den ganz alltäglichen Ärger geben Sie dort hinein, um ihn zu vergessen. Das Unwort der Autoren zählt ohne Zweifel dazu. 

Schritt 3: In der Bewegung liegt die Kraft 

Bewegen macht glücklich. Das wissen wir nicht erst, seit Stephen King in seinem wunderbaren Buch „Das Leben und das Schreiben“ empfohlen hat, rauszugehen, wenn die Worte fehlen. Kommen Sie in Schwung. Boxen Sie in ein Kissen oder tanzen Sie zu AC/DC „Highway to Hell“ oder sprinten Sie im Park, nur bewegen Sie sich! Werden Sie atemlos. Der Schreibheld in Ihnen will wüten. Was er braucht, um sich wieder wie ein Autor zu fühlen, das ist jener Schweiß, den die Götter vor den Erfolg setzten. 

Schritt 4: Kreativität beflügeln

Nehmen Sie ein Notizheft zur Hand und einen Stift. Freuen Sie sich auf eine kreative Übung für Autoren. 

Unter der Headline: „Warum ich das Schreiben liebe“ lassen Sie die Worte fünfzehn Minuten fließen. Es gibt keinen inneren und äußeren Kritiker, und auch kein Krampf in der Hand kann Sie aufhalten. Sie schreiben sich über die Blockade hinweg. Sie schreiben weiter, immer weiter und empfinden Freude dabei. Setzen Sie den Schlusspunkt. Lesen Sie sich diese Liebeserklärung laut vor. Dann öffnen Sie den Deckel des Notebooks. Wenden Sie sich dem zu, was sich in Ihnen wieder weitet, ein Meer aus Worten. 

Schritt 5: Was ist Ihr Warum?

Um am Text zu bleiben, brauchen Sie einen Grund. Einen wirklich überzeugenden, absolut einsichtigen Grund, um der Ablenkung zu widerstehen. Denn jede Ablenkung frisst ein Stück Ihrer Zeit, Ihrer Energie. Jede Ablenkung schwächt Sie und ist der erste Schritt zu, na Sie wissen schon …

Deshalb: Was ist Ihr Warum? 

Warum sind Sie bereit, sich täglich durch die Zeit zu schreiben? 

Ist es Ihre Selbstverwirklichung oder die Hoffnung auf Erfolg, Durchbruch, Abbildung in einer Bestsellerliste? 

Ist es das Honorar, das Streicheln des Egos, das Spiel um den Platz in der ersten Liga? 

Ist es die Liebe zum Wort, die Verantwortung für die Familie? 

Schreiben Sie für Ihr Kind, Ihren Partner, Ihre Eltern, für den Verleger, die Leser, für Ihre Träume? 

Was immer es ist, es wird ein verdammt guter Grund sein weiterzuschreiben, dranzubleiben, das Beste aufs Blatt zu bringen, wozu Sie fähig sind.

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Schreibfreude wünscht Ihnen

Gabriele Borgmann

Ghostwriterin für Sachbücher, Unternehmensbücher und Biografien

Beraterin für Autoren